Kleine Leseliste

Texte zu Deep/Slow/Close Reading

Thomas Newkirk, The Art of Slow Reading. (Portsmouth: Heinemann, 2012)

Ohne Zweifel eine der besten Diskussionen des langsamen Lesens. Lebenserfahrung mit exzellenter Recherche. Etwas teuer, aber lohnt sich auf jeden Fall.

John Miedema, Slow Reading. (Duluth: Litwin, 2009)

Kurze, wohlgeordnete und sachliche Diskussion des langsamen Lesens mit Thesen zur Entstehung und Bedeutung des Phänomens. Weniger ein Handbuch für die Allgemeinheit als eine Auffächerung des Themas. Startpunkt ist Bibliothekswissenschaft, berührt aber auch Bereiche wie Kulturwissenschaft, Psychologie und Soziologie. Enthält Hinweise zum Weiterforschen.

David Mikics, Slow Reading in a Hurried Age. (Cambridge: Belknap, 2013)

Enthält Überlegungen zum Stand des konzentrierten Lesens in einer abgelenkten Zeit, vierzehn “Regeln”, wie man das langsame Lesen trainieren kann und Beispiellektüren aus den großen Genres Roman, Drama, Lyrik und Essay. Sehr nützlich als Handbuch. Mit Freude an der Vermittlung komplexer Dinge geschrieben, allerdings zum Teil für Leute, die auch bei der Deutung von komplexen Metaphern mitgehen anstatt auszusteigen.

Texte zu literarischem Schreiben, in denen auch etwas zum Lesen steht

Francine Prose, Reading Like a Writer.

Der Titel sagt es. Die Einführung erläutert, warum Close Reading für Autor:innen sinnvoll ist. Sonst Beispiellektüren, die zwar in sich spannend genug sind, aber nicht unbedingt als Belege für die Ausgangsthese herhalten können.

Sonstige interessante Texte zum Lesen von Literatur

James Fenton, An Introduction to English Poetry.  (New York: Farrar, 2002)
Kurze, persönliche und scharfsinnige Einführung in Phänomene, die sich beim Lesen englischsprachiger Lyrik zu beachten lohnen. Wer nie genau weiß, wie man anständig über Rhythmus und Betonungen sprechen soll, findet hier ein Buch, mit dem sich nicht nur das Silbenzählen üben lässt, sondern in dem auch Erklärungen angeboten werden, warum das eigentlich interessant sein könnte.

Ezra Pound, ABC of Reading. (New York: New Directions, 2010 [1934])

Eigentümliche, sowohl scharfsinnige als auch unbegreifliche Mischung aus Reflexion und Handbuch, Snobismus und Punk, in erster Linie gedacht für zukünftige Poeten. (Pound eben.)

Sutherland_How to Read

John Sutherland, How to Read a Novel. A User’s Guide. (London: Profile, 2006)

Gelehrtes und sehr lustiges Buch von einem altgedienten britischen Experten, der nichts mehr beweisen muss (beachte die Umschlagseite). Keine Anleitung zum Lesen im engeren Sinne, sondern eine Reflexion über verschiedene zunächst unscheinbare Themen, die uns beim Romanelesen steuern, also zu Titeln, Namen, Abbildungen, Anfangssätzen, Schriftarten und Gattungen. In diesem Sinne ein Crashkurs für Leute, die sich schon immer gefragt haben, was ein Paratext ist. Der einzige Nachteil ist, dass das Buch im Jahr 2006 stecken geblieben ist, insofern sind die damals brandaktuellen Überlegungen zu Digitalisierung usw. mittlerweile wie in Eis konservierte Nachrichten von vorvorgestern. Eines der seltenen Bücher, bei denen es sich lohnt, auch die Anmerkungen zu lesen. Empfiehlt beim Lesen die Benutzung eines Bleistiftes: “Whether you use it or not, the pencil-in-hand elevates you to the status of player, rather than mere consumer.” Beantwortet die Frage: “Warum Romane lesen?” mit dem Hinweis, dass dort Dinge ausgesprochen, diskutiert und befragt werden können, die woanders nicht ausgesprochen werden können. Wem das noch nicht einleuchtet, hier ist das einleuchtendste Beispiel: “The one-word answer which is most likely to slap down facile objections of the ‘what a waste of time’ variety is, in some novels at least: ‘race’.”

Nicht uneingeschränkt zu empfehlende Texte zum Thema

Felicitas von Lovenberg, Gebrauchsanweisung fürs Lesen. (München: Piper, 2018)

Ein “Büchlein”, das eine Reihe von Zitaten, Behauptungen (gelegentlich mit Prozentangaben aus Studien) und persönlichen Einsichten einer belesenen und professionellen Bücherliebhaberin enthält. Unterm Strich ist demnach Lesen gut für uns, aber besser keine E-Books. Das hatte die eine oder der andere wohl schon so geahnt.

Der Klappentext verspricht übrigens, man werde aufgeklärt, “was sich hinter Trends wie Deep Reading verbirgt”, aber das wird in Wirklichkeit nur ganz kurz einmal erwähnt. Und zwar wird Deep Reading bezeichnet als “Lernmethode, die Jugendliche dazu befähigen soll, längere Texte ohne größere Ablenkung zu lesen und ihren Inhalt im Kern zu erfassen.” Also im Prinzip das Gegenteil dessen, was in unserem Haus unter dem Namen Deep Reading gemacht wird.

Frank Berzbach, Die Kunst zu lesen. Ein Literaturverführer. (Köln: Eichborn, 2021)

Vermutlich hat der Verlag den Titel festgelegt ohne lange darüber nachzudenken. Denn über die “Kunst zu lesen” erfährt man hier praktisch nichts und was ein “Literaturverführer” sein soll, wird auch nicht deutlich. Das Buch ist eher ein Memoir mit gemischten Anmerkungen und einer langen Liste von Büchern, die der Autor gelesen hat.