Anfang gelesen von: Sirka Elspaß, ich föhne mir meine wimpern (Suhrkamp 2022)
Liste: Österreichischer Buchpreis, Shortlist Debüt 2022
Hängengeblieben an:
Vor der eigenen Stimme erschrecken
Erst klingt es frei erfunden, dass man sich erschrecken kann, wenn man geboren wird. Aber dann wird mir klar, dass das im Gegenteil wahrscheinlich sogar normal sein könnte.
Besonders weil in Vers 2 genauer gesagt wird, dass die eigene Stimme das Erschrecken verursacht. Denn auch wenn man die eigene Geburt schon lange hinter sich hat, heißt das ja nicht, dass man sich nicht immer noch vor seiner eigenen Stimme erschrecken kann. Es kann also ein ziemlich erschreckender Moment sein, wenn das zum ersten Mal passiert!
Zu Großem imstande sein
Warum sind Vers 3 und 4 “der arzt sagt / ich sei zu großem imstande” komisch? Ein Grund ist vielleicht, dass ein Arzt, der so etwas sagt, schon ein bisschen merkwürdig ist: Entweder überschätzt er seine Urteilsfähigkeit maßlos oder er bringt bei jeder Geburt diesen Spruch und glaubt, dass er die Eltern freut.
Oder ist der Satz auch deshalb komisch, weil ja praktisch jedes frisch Geborene zu Großem imstande ist und damit die scheinbar erstaunliche Beobachtung eher eine banale Feststellung über den Beginn eines Lebens ist?
Sagt der Arzt
Warum ist eigentlich schon “der arzt sagt” irgendwie komisch? Einmal klingt es fast wie “sagt der Arzt”, also wie ein Witz-Baustein.
Dann ist es auch von der Perspektive her komisch, weil das neugeborene Ich hier nichts über die Welt weiß und damit auch nicht wissen kann, was ein Arzt ist und nicht wissen kann, was gesagt wird.
I Heard a Fly Buzz
Und mit dieser unmöglichen Perspektive hängt auch zusammen, dass das Gedicht insgesamt komisch ist. Wir wissen ja, dass wir die eigene Geburt zwar erleben, aber nicht verstehen oder beschreiben können. Wenn es so scheint, als ob es doch passiert, ist das absurd, und absurd ist oft komisch.
Ich finde es aber gleichzeitig tröstlich, dass die Vorstellungskraft die angesprochene Unmöglichkeit in Form ein Gedichtes ausgleichen kann.
Danke
Mindestens zwei Dinge scheinen in den letzten drei Versen nicht zu stimmen: Hunger ist nichts Großes und “Danke” sagt man nicht zur Begrüßung. Zwei komische Ereignisse bzw. Verbindungen mehr!
Oder sagt hier auch jemand “Danke” zu mir als Leser? Könnte sein, denn wir sind ja im allerersten Text, und das wäre ungewohnt höflich, aber nicht undenkbar.
Es ist auch komisch, dass der Dönerladen am Ende der Geschichte steht. Nicht nur, weil es ein flapsiges Wort ist. Wir haben auch den Beginn eines Lebens erlebt und enden in einer perfekten Zwischenstation.
Warum ist eigentlich ein Vers fett gedruckt? Ein Blick auf das nächste Gedicht zeigt, dass das da auch so ist. Das lässt sich also vermutlich verstehen, wenn man weiterliest. Frage merken.